Edelstahl ist nicht gleich Edelstahl
von Rainer Schröter (rainer@faltboot.de)
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Auch wenn sich in Deutschland die Bezeichnung "Edelstahl rostfrei" als Markenbezeichnung durchgesetzt hat, so verbergen sich doch hinter
diesem Etikett eine ganze Reihe von unterschiedlichen Stählen, die alle nicht wirklich rostfrei sind, sondern nur mehr oder weniger stark korrodieren. Welche Sorten Edelstahl für den Paddler interessant sind,
welche für Süßwasser noch taugen, im Salzwasser aber schon zu stark angegriffen werden, das ist das Thema dieser Seite. Auf der nächsten Seite werden die gleichsam wichtigen Themen Bearbeitung, Oberflächenbehandlung und Pflege aufgegriffen.
Begriff "Edelstahl Rostfrei"
Unter dieser Sammelbezeichnung werden über 120 Stahlsorten geführt, die zwei Gemeinsamkeiten haben:
- Eine mindestens 10,5%ige Legierung mit Chrom
- Beständigkeit gegen Korrosion ohne Schutzüberzug durch Bildung einer Passivschicht unter Sauerstoffeinwirkung.
Gängige Markenbezeichnungen sind z.B. Chromargan, V2A, V4A, Nirosta, Remanit oder Inox.
Die "Passivschicht" schützt den Edelstahl gegen Korrosion, indem
"edlere" Legierungsbestandteile eine (mehr oder weniger) geschlossene Oberflächenschicht bilden. Diese Passivschicht bildet sich auch nach
Beschädigung (Kratzer) spontan wieder aus. Dennoch bietet eine sehr glatte Oberfläche einen wesentlich besseren Korrosionsschutz als eine verkratzte (siehe dazu auch Oberflächenbehandlung und Pflege).
Einzelne Stahlsorten
In Europa werden die Stähle nach sogenannten Werkstoffnummern bezeichnet (und ihre Zusammensetzung etc. ist natürlich in DIN-Normen
geregelt). Im folgenden werde ich auch einige dieser Stähle eingehen, die für den Kajakfahrer von Bedeutung sind. Es handelt sich ausschließlich um sogenannte austenitische Chrom-Nickel-Stähle, die
aber weitere Legierungsbestandteile enthalten können.
WkstNr 1.4301 (AISI 304) Die im Alltag aber auch im Kajakbereich wahrscheinlich am meisten verwendete Sorte hat die
Werkstoffnummer (WkstNr) 1.4301 (im amerikanischen Bereich: AISI 304). Sie ist auch bekannt unter der Bezeichnung 18/10, was auf eine ca. 18%ige Legierung mit Chrom und
eine ca. 10%ige Legierung mit Nickel verweist. Diese Stahlsorte ist im Süßwasserbereich weitgehend rostfrei, es kommt allerdings sehr auf die Verarbeitung und die Pflege an. Wenn man sich
seine Messer und Gabeln in der Küchenschublade anschaut (ich habe hier welche, die sind eindeutig älter als 30 Jahre), dann wird man unterschiedliche Korrosionsformen finden. Diese entsteht meist dadurch,
daß das Besteck (jedenfalls bei mir) oft längere Zeit in der Spülmaschine (oder sonstwo) liegt, bevor es gereinigt wird (doch dazu mehr unter Pflege).
WkstNr 1.4401 (AISI 316) Dieser Stahl wird sehr häufig im maritimen Bereich verwendet. Er hat gegenüber 1.4301 einen zusätzlichen
Molybdänanteilvon 2 bis 2,5%. Er ist damit wesentlich beständiger gegen Salzwasser, d.h. gegen den Angriff durch chloridhaltige Medien (auch Küstenluft ist bereits recht aggressiv).
WkstNr 1.4571 (AISI 316 Ti) Dieser Stahl wird zusätzlich mit einem Anteil von bis zu 0,7% Titan
legiert. Dies macht ihn insbesondere widerstandsfähiger gegen interkristalline Korrosion.
Es werden in seltenen Fällen auch noch andere Stahlsorten verwendet, auf die ich hier nicht eingehen will. Die für Meeresnähe mit hoher
Korrosionsbelastung empfohlenen Stähle 1.4439, 1.4539 und 1.4462 werden meines Wissens nach im Kajakbereich nicht verwendet.
Von den Stahlsorten her kann für den Süßwasserbereich 1.4301 bedenkenlos genomen werden, auch eine gelegentliche Nutzung im
Salzwasser erscheint problemlos. Wer sein Boot ausgiebig auf dem Meer bewegen will, sollte auf Zubehörteile aus 1.4401 oder ähnlichen Stahlsorten achten. Eine Beeinträchtigung der Stabilität des
Edelstahlzubehörs ist aber insgesamt kaum zu erwarten, eher "optische Schäden", die mich allerdings mitunter stören.
Korrosion
von Edelstahl ist das eigentlich interessante Thema dieser Seite.
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Korrosion ist "...die Schädigung und Zerstörung von Werkstoffen durch chemische oder
elektrochemische Reaktionen, die durch Elektrolytlösungen, feuchte Gase, Schmelzen u. a. hervorgerufen werden können. Abhängig von der Art des Werkstoffs und vom angreifenden
Medium kann Korrosion in unterschiedlichen Formen auftreten, bei Metallen z. B. als gleichmäßiger flächenhafter Angriff (Rosten des Eisens), als Lochfraß (Entstehung einzelner
nadelfeiner, tiefer Löcher) oder als interkristalline Korrosion, wobei der Angriff den Korngrenzen des Metalls folgt. Korrosion wird sehr begünstigt, wenn das Metall in elektrisch
leitender Verbindung mit einem elektrochemischen edleren Metall der Feuchtigkeit ausgesetzt ist, da es dann die Anode eines kurzgeschlossenen galvanischen Elements bildet
(Lokalelement). Auch mechanische Belastung kann die Korrosion fördern." (www.wissen.de) (Quelle Bild 3.1: Informationsstelle Edelstahl Rostfrei (Hg): Korrosionsbeständigkeit
nichtrostender Stähle an der Atmosphäre, Düsseldorf 1996, S. 7)
Flächenkorrosion spielt bei den Chrom-Nickel-Stählen und der Anwendung im Kajakbereich kaum eine Rolle. Im obigen Bild erkennt man
dies deutlich an der linken Stahlplatte (1.4301 entspricht 18/10). Obwohl diese Platte ein ganzes Jahr lang der Spritzwasserzone in Helgoland
ausgesetzt war, ist insgesamt kaum flächiger "Rost" entstanden. Die Haltbarkeit dieser "einfachen" Sorte Edelstahl ist auch im Meerwasser
recht gut. Von einer "schönen", glänzenden Oberfläche, die ja auch den Reiz von Edelstahl ausmacht, ist allerdings nichts mehr zu sehen.
Spaltkorrosion ist ein wesentlich wichtigerer Faktor. Spaltkorrosion setzt an Stellen ein, wo eben ein Spalt vorhanden ist, d.h. ein Zwischenraum, in dem sich das
korrosive Medium (hier Meerwasser und chloridhaltige Seeluft) länger halten kann. Für den Korrosionsversuch wurden Löcher in die Stahlplatten gebohrt und mit Schrauben und Kunststoffunterlagscheiben
versehen. Unter den Unterlagscheiben kann sich das Meerwasser gut halten, es kommt durch Verdunstung des Wassers zusätzlich zu einer Anreicherung des Salzes und in der Folge zu einer
deutlichen Korrosion an dieser Stelle. Die gemessene Tiefe der Spaltkorrosion lag hier bei über 1mm.
Viele im Kajakbereich verwendete Edelstahl-Zubehörteile (Ruder, Bootswagen etc.) sind irgendwo verschraubt, so daß man diese Stellen
gut im Auge behalten sollte. Das gleiche gilt natürlich für "nichtrostende" Taschenmesser, Karabinerhaken oder Kochgeschirre, die man als Kajakfahrer häufig dabei hat.
Lochkorrosion (Lochfraß, Pitting) tritt ebenfalls häufiger auf. Hierbei wird die schützende Passivschicht des Edelstahls punktförmig
durchbrochen und es kommt zu häufig nur nadelstichgroßen aber tiefen Löchern. Die Löcher in den alten Messern aus unserer Küchenschublade sind schon sehr groß geworden, zeigen aber die typische Form der
Lochkorrosion auf. Lochkorrosion kann sich insbesondere unter Ablagerungen (Dreck z.B.) bilden oder durch "Fremdrost" ausgelöst werden, also durch (oft sehr kleine) Rostteilchen, die von anderen
Stahlteilen auf den Edelstahl gelangen.
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Kontaktkorrosion entsteht, wenn unterschiedlich edle Metalle in einem korrosiven Medium aufeinandertreffen. Die Korrosion betrifft in diesem
Fall immer den unedleren Partner (die Anode), d.h. der Edelstahl ist hier meistens nicht gefährdet. Für das Auftreten von Kontaktkorrosion ist das
Flächenverhältnis der beiden Metallsorten von entscheidender Bedeutung. Je größer die Fläche des edleren Partners im Verhältnis zum unedleren ist, umso stärker wird der letztere korrodieren. Verschraubt man
beispielsweise Edelstahlbleche mit Aluminiumschrauben, so werden diese innerhalb kurzer Zeit stark angegriffen. Eine Verschraubung von Aluminiumblechen mit Edelstahlschrauben ist hingegen ziemlich unproblematisch.
Der Abstand der Kathode (edlerer Partner) von der Anode (unedlerer Partner) ist hingegen vernachlässigbar, solange beide elektrisch leitend miteinander verbunden sind.
Dies verdeutlicht gut das Diagramm:
Man erkennt, dass die drei Linien, die die unterschiedlichen Abstände der beiden Metalle voneinander symbolisieren (0,2 bis 1000mm) relativ
dicht beieinander laufen. Andererseits ist die Zunahme der Kontaktkorrosion bei zunehmendem Flächenverhältnis zugunsten des nichtrostenden Edelstahls klar ersichtlich.
Noch einmal hier zur Klärung: Kontaktkorrosion tritt nicht auf, wenn die Metalle in trockener Luft verbleiben, da dann das korrosive Medium (hier Nordseewasser) fehlt. (Quelle des Diagramms / Bild 2: Informationsstelle Edelstahl Rostfrei (Hg): Verträglichkeit
von Edelstahl Rostfrei mit anderen Werkstoffen, Düsseldorf 1999, S. 4)
Interkristalline Korrosion
tritt z.B. an Schweißnähten auf, insbesondere wenn diese nicht korrekt nachbearbeitet wurden (s. Oberflächenbehandlung). Beim Schweißen können (je nach Stahlsorte) in der Wärmezone neben der Schweißnaht Chromcarbide ausgeschieden
werden, was dort zu einer Chromverarmung führen kann. In sauren Medien kann es dann zur interkristallinen Korrosion an den Korngrenzen kommen. Im Bild 3.1 oben erkennt man, daß an den Schweißnähten in
der Mitte der Platten die Korrosion in Nordseewasser nicht deutlich stärker ausfiel als auf dem Rest der Platte. Eine Zugabe von Titan oder Niob bei eventueller gleichzeitiger Absenkung des Kohlenstoffgehaltes
vermindert die Neigung zur interkristallinen Korrosion.
Spannungsriß- und Schwingungsrißkorrosion spielen meiner Ansicht nach im Kajakbereich keine besondere Rolle weswegen sie hier nicht
behandelt werden sollen. Zu möglichen Problemen der Spannungsrißkorrosion im Bereich von Edelstahl-Steueranlagen habe ich keine Angaben gefunden, die hier verwertbar wären.
zur Seite 2: Bearbeitung, Oberflächenbehandlung und Pflege von
Edelstahl Rostfrei
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